In der „Green School“ in Bali will man einen nachhaltigen Lebensstil vorleben und diesen durch ganzheitliche Erziehung an die nächste Generation weitergeben. Von der indonesischen Insel berichtet
Es ist drei Uhr nachmittags, als ich im Herzen Balis endlich die Kul-Kul-Brücke entdecke, die über den Ayung-Fluss führt und den Eingang zur Green School bildet. Das futuristisch anmutende Bauwerk lässt bereits erahnen, was, verdeckt durch dichtes Grün, auf der anderen Seite des Flusses auf mich wartet. Dort angekommen, begrüßt mich Ben Macrory freundlich. Seit Herbst 2008, den Anfängen der internationalen Privatschule, führt er Interessierte durch den rund zwei Hektar großen Campus, mit etwa 50 teils mehrstöckigen, eindrucksvoll konstruierten Bambusgebäuden, in denen mittlerweile rund 150 Kinder zwischen drei und 18 Jahren unterrichtet und begleitet werden.
Der Fokus der „Green School“ liegt auf nachhaltigem Handeln. Das spiegelt sich nicht zuletzt im ökologischen Design wider, für das die Schule bereits mehrere Auszeichnungen und weltweite mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. „Wir halten unseren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich. Die Schüler sollen auch durch die anspruchsvoll gestaltete Umgebung zu nachhaltigem Handeln motiviert werden“, erklärt Macrory. Alle Gebäude der Schule sind aus natürlichen und regionalen Materialien wie Bambus und Lehm gebaut. Am Campus befinden sich ausschließlich abwasserlose Sanitäranlagen.
Mit verschiedenen alternativen Energiequellen, wie Solarenergie, Biogas und einem in Österreich entwickelten Laufwasserkraftwerk wird der Strombedarf gedeckt. „Wenn unsere Schüler die Green School verlassen, sollen sie fähig sein, in globalen Zusammenhängen zu denken und sich dementsprechend verantwortlich gegenüber der Natur und ihren Mitmenschen verhalten“, erklärt Ben.
Durch die Mitarbeit etwa am Reisanbau und an der Tierhaltung sollen die Kinder ein tiefgreifendes Verständnis für den Umgang mit Ressourcen entwickeln.
Auch die Kultur Balis findet ihren Niederschlag im Schulalltag. Neben den üblichen Fächern stehen etwa Marimba-Unterricht und balinesisches Schlammkämpfen am Stundenplan. „Gleichzeitig wollen wir den Kindern und Jugendlichen neue Ansätze mitgeben, wie sie sich in unserer globalisierten Welt im wirtschaftlichen Sinne behaupten können“, fährt Ben Macrory fort. So gründen etwa SchülerInnen der oberen Klassen kleine Unternehmen. Gemeinsam mit einem Mentor lernen sie diese aufzubauen und zu führen.
Die 17-jährige Gika ist eine von ihnen. Als ich das balinesische Mädchen am Campus treffe, erzählt sie mir von ihrem Projekt Boo Bam, einer Partnerschaft zwischen der 8. und der 11. Klasse: „Wir gravieren Bambus-Visitenkarten und verkaufen diese. Das Geschäft läuft gut. Wir haben sogar schon einen Angestellten. Natürlich bezahlen wir einen fairen Preis“, erklärt Gika lachend in fließendem Englisch. Ein Green-School-Stipendium, das derzeit zwölf balinesische Kinder erhalten, ermöglicht dem Mädchen den Schulbesuch. Erklärtes Ziel der Betreiber der Green School ist es, an 20 Prozent der SchülerInnen einen aus Spenden finanzierten Freiplatz zu vergeben. Denn die jährlich 6.000 bis 12.000 US-Dollar Schulgeld sind für durchschnittliche balinesische – ja sogar für „westliche“ – Verhältnisse unerschwinglich, weiß auch Macrory: „Die Schule ist zweifellos teuer. Das stellt eine soziale Barriere dar, die wir, so gut es uns möglich ist, abbauen wollen.“
Neben den balinesischen SchülerInnen haben auch alle Nachbarn freien Zugang zum Gelände. Man trifft sich etwa zum Fußballspielen in der Green School. Natürlich ist die Schule auch ein Arbeitsplatz für Einheimische.
Pädagogisch orientiert sich die Schule am Konzept des kindzentrierten Lernens, das auf Teilen der Waldorf-Philosophie basiert. Auch erzählt Ben von den vielen Hürden und Herausforderungen, die die Gründung einer Schule inmitten des Urwalds mit sich bringt, und die anfangs viele Eltern und Lehrkräfte wieder vertrieben haben. Trotz aller Stolpersteine hat sich das ambitionierte Projekt in nur vier Jahren zu einer erfolgreichen Institution entwickelt. Die Schulkinder kommen aus 40 unterschiedlichen Ländern; viele Eltern ziehen mit den Kindern in den Urwald. Im Green School-Erziehungskonzept nehmen auch die Eltern eine wichtige Rolle ein, deshalb werden sie stark integriert.
Martina Weinbacher hat sich journalistisch auf die Themen nachhaltige Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit spezialisiert. Sie lebt und arbeitet in Wien.
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